Big Five (Psychologie). (2023, April 13). In Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Big_Five_(Psychologie)
Die menschliche Persönlichkeit ist ein faszinierendes Thema, das seit Jahrhunderten die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern, Philosophen und normalen Menschen gleichermaßen erregt. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Theorien entwickelt, um Temperament und Persönlichkeitseigenschaften zu verstehen und zu kategorisieren. Eines der am häufigsten verwendeten Modelle im Bereich der Persönlichkeitspsychologie ist bekannt unter dem Namen "Big Five" oder auch "OCEAN-Modell". Dieses Modell nimmt eine Unterteilung in fünf verschiedene Dimensionen vor: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus (auch emotionale Instabilität).
Das Schöne am Big Five-Modell liegt in seiner Einfachheit und Praktikabilität. Wenn wir die zugrunde liegenden Persönlichkeitsmerkmale einer Person verstehen, können wir ihr Verhalten und ihre Interaktionen mit anderen besser vorhersagen. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass jemand einen hohen Neurotizismus aufweist, können wir verstehen, warum er oder sie eher zu Ängsten oder Stress neigt, und warum jemand, der sehr extrovertiert ist, sich in sozialen Situationen wohlfühlt.
Außerdem hat die Forschung gezeigt, dass die Big Five-Eigenschaften nicht nur bei Einzelpersonen zu beobachten sind, sondern auch Auswirkungen auf breitere gesellschaftliche Themen wie politische Überzeugungen und beruflichen Erfolg haben. Wenn wir verstehen, wie sich diese Eigenschaften bei uns selbst und anderen manifestieren, können wir die Komplexität der menschlichen Natur besser verstehen.
Manchmal kann es auch in dem Versuch sich selbst besser zu verstehen, hilfreich sein, sich solcher Modelle zu bedienen. Wenn wir verstehen, welche Neigungen wir natürlicherweise in uns tragen, kann das uns helfen zu verstehen, warum wir auf eine bestimmte Weise auf manche Reize reagieren – warum wir anfällig für bestimmte Stressoren sind oder besondere Freude aus bestimmten Aktivitäten ziehen.
Wenn wir über die Big Five sprechen, ist es wichtig zu bedenken, dass das Vorhandensein und die Entwicklung jeder dieser Eigenschaften in einer Person Auswirkungen auf alle anderen Eigenschaften hat. Das bedeutet, dass sich z. B. Offenheit bei einer extrovertierten Person anders äußert als bei einer introvertierten Person. Das Zusammenspiel dieser Eigenschaften macht eine einzigartige Persönlichkeit aus. Aber etwas über die zugrunde liegenden Kategorien zu wissen, kann hilfreich sein, wenn du versuchst, effektiv mit verschiedenen Menschen zu kommunizieren. In der Regel ist die Ausprägung jeder dieser Eigenschaften mit einer anderen Art und Weise verbunden, die Welt wahrzunehmen und zu erleben. Und dieser Unterschied führt zu Unterschieden in den gefühlten Werten und Prioritäten, nach denen diese Person lebt.
1. Offenheit für Erfahrungen drückt sich beispielsweise durch die Wertschätzung von Kunst, Emotionen, Abenteuern, ungewöhnlichen Ideen, Neugierde und Erfahrungsvielfalt aus. Offene Menschen sind intellektuell neugierig, sensibel für Schönheit und bereit, neue Dinge auszuprobieren. Im Vergleich zu verschlossenen Menschen sind sie eher kreativ und sich ihrer Gefühle bewusster. Eine hohe Offenheit kann unberechenbar und risikoaffin erscheinen. Menschen mit hoher Offenheit suchen intensive, euphorische Erfahrungen, während Menschen mit geringer Offenheit Ausdauer und Pragmatismus schätzen.
Jemand, der sehr offen ist, könnte sich selbst mit den folgenden Worten beschreiben:
• Ich habe einen großen Wortschatz.
• Ich bin kreativ.
• Ich habe ungewöhnliche Ideen.
• Ich begreife Konzepte schnell.
• Ich nehme mir Zeit für Kontemplation.
• Ich stecke voller innovativer Ideen.
2. Gewissenhaftigkeit ist die Tendenz, diszipliniert und pflichtbewusst zu sein und nach Leistung zu streben. Eine Ausprägung davon zeigt sich in hoher Impulskontrolle. Hohe Gewissenhaftigkeit erscheint manchmal als stur und geradlinig, während niedrige Gewissenhaftigkeit als flexibel, aber unzuverlässig erscheinen kann. Ein hoes Maß an Gewissenhaftigkeit deutet auf eine Vorliebe für Planung und Kontrolle hin. Gewissenhaftigkeit steigt typischerweise bei jungen Erwachsenen an und nimmt bei älteren Erwachsenen ab.
Eine sehr gewissenhafte Person könnte sich selbst folgendermaßen beschreiben:
• Ich bin eine sehr gut organisierte Person, die gerne vorbereitet ist.
• Ich achte auf die Details und stelle sicher, dass alles richtig gemacht wird.
• Ich setze Prioritäten bei der Erledigung von Aufgaben, die schnell und effizient erledigt werden müssen.
• Ich habe eine Vorliebe für Ordnung in meiner Umgebung.
• Ich halte mich an einen Zeitplan, um meine Zeit effektiv zu verwalten.
• Ich bin akribisch und präzise in meiner Arbeit.
3. Extravertiertheit ist gekennzeichnet durch die starke Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt. Extravertierte Menschen wirken häufig energetischer und können Energie aus sozialen Interaktionen ziehen. Sie sind häufig handlungsorientiert, enthusiastisch und genießen es, Kontakte zu knüpfen. Sie werden oft als energiegeladen, durchsetzungsfähig und dominant im sozialen Umfeld wahrgenommen. Introvertierte Menschen hingegen sind weniger sozial engagiert und energiegeladen als extrovertierte. Sie neigen dazu, ruhig und unabhängig zu sein und sich weniger in der sozialen Welt zu engagieren. Sie brauchen weniger Stimulation und mehr Zeit für sich selbst, aber das bedeutet nicht, dass sie unfreundlich oder asozial sind.
Eine extrovertierte Person würde sich selbst folgendermaßen beschreiben:
• Ich genieße es, Kontakte zu knüpfen und mit anderen zusammen zu sein.
• Ich bin selbstbewusst darin, Gespräche zu initiieren.
• Ich fühle mich in einer Vielzahl von sozialen Situationen wohl.
• Ich bin kontaktfreudig und lerne gerne neue Leute kennen.
• Ich scheue mich nicht davor, im Rampenlicht zu stehen.
4. Verträglichkeit bedeutet, sich um soziale Harmonie zu kümmern. Verträgliche Menschen sind rücksichtsvoll, freundlich, großzügig und vertrauensvoll. Sie legen Wert darauf, mit anderen auszukommen und sind bereit, Kompromisse einzugehen. Der Gegenpol zu Verträglichkeit ist Bestimmtheit, bzw. Durchsetzungskraft. Menschen mit einer solchen Ausprägung stellen ihre eigenen Interessen in mehr den Vordergrund und können anderen gegenüber skeptisch sein. Sie können als unkooperativ oder streitsüchtig erscheinen. Verträgliche Menschen haben in der Regel bessere Beziehungen und verfügen eher über transformationale Führungsqualitäten.
Eine verträgliche Person könnte sich selbst wie folgt beschreiben:
• Menschen interessieren mich.
• Ich kann mich in andere hineinversetzen.
• Ich bin mitfühlend.
• Ich stelle die Bedürfnisse anderer in den Vordergrund.
• Ich bin sensibel für die Gefühle anderer.
• Ich schaffe eine angenehme Atmosphäre für andere.
5. Neurotizismus (auch emotionale Instabilität) ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das mit negativen Emotionen wie Wut, Angst und Depression verbunden ist. Menschen mit einem hohen Neurotizismuswert sind emotional reaktiv und haben eine geringe Stresstoleranz. Sie empfinden alltägliche Situationen eher als bedrohlich und können leicht frustriert sein. Ein hohes Maß an Neurotizismus steht auch im Zusammenhang mit einer pessimistischen Einstellung zur Arbeit und einem höheren Maß an Angst vor arbeitsbedingtem Stress. Menschen, die einen hohen Neurotizismuswert haben, können Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren, was sich negativ auf ihre Entscheidungsfindung und ihre Fähigkeit, mit Stress umzugehen, auswirken kann.
Eine Person mit hohem Neurotizismus würde sich wahrscheinlich so beschreiben:
• Ich bin anfällig für Stress.
• Ich neige dazu, mir über Dinge Sorgen zu machen.
• Ich lasse mich leicht aus der Ruhe bringen.
• Ich bin sensibel und kann mich leicht aufregen.
• Meine Stimmung kann sprunghaft sein.
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus der Persönlichkeitsforschung ist, dass sie uns zeigen kann, dass die Art und Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen, grundlegend unterschiedlich sein kann. Jemand mit einem hohen Neurotizismus nimmt die Welt anders wahr als jemand mit einem niedrigen Neurotizismus. Für den einen scheint die Welt viel gefährlicher zu sein als für den anderen. Man fühlt sich stärker exponiert und verletzlich. Wenn du ein extrovertierter Mensch bist, ist die soziale Welt dein Spielplatz. Sie ist ein schöner Ort voller Spaß und aufregender Erfahrungen. Für Introvertierte sieht teilweise etwas anders aus – für sie sind Spaß und Aufregung eher bei sich selbst zu finden, zum Beispiel durch Kreativität. Diese unterschiedlichen Ausprägungen des Temperaments machen uns unterschiedlich sensibel für bestimmte Arten von Reizen. Je nachdem, reagieren wir mehr oder weniger empfindlich auf bestimmte Einflüsse unserer Umwelt und diese Unterschiede spiegeln sich in der Art und Weise wider, wie wir wiederum mit der Welt und anderen Menschen interagieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Big Five-Persönlichkeitsmerkmale ein hilfreiches Instrument sind, um menschliches Verhalten zu verstehen und auch zum Teil besser vorherzusagen. Jede Eigenschaft hat ihre eigenen Stärken und Schwächen und kann eine wichtige Rolle für den Erfolg und das Wohlbefinden eines Menschen spielen.
Es ist zwar wichtig, daran zu denken, dass diese Eigenschaften nicht die einzigen Faktoren sind, die das Verhalten beeinflussen, aber sie bieten einen wertvollen Ausgangspunkt, um die Komplexität der menschlichen Natur zu verstehen.
Ich hoffe, Ihr hattet Spaß beim Lesen und konntet etwas Lehrreiches für euch aus diesem Artikel mitnehmen. Habt noch eine schöne Woche und bis zum nächsten Mal.
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